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Wenn der Job das Gehirn formt: Die stillen Folgen überlanger Arbeitszeiten

Credits : iStock.com/ Andrey Popov

Lange Arbeitszeiten sind nicht nur eine Frage der Work-Life-Balance – sie können tiefgreifende Veränderungen im Gehirn verursachen. Eine aktuelle Studie aus Südkorea legt nahe, dass Überstunden die Struktur zentraler Hirnregionen beeinflussen, insbesondere jene, die für Aufmerksamkeit, Problemlösung und emotionale Regulation zuständig sind.

Neurowissenschaftliche Erkenntnisse: Was Überstunden im Gehirn bewirken

Ein Forschungsteam der Pusan National University untersuchte mittels bildgebender Verfahren die Gehirne von 110 Beschäftigten im Gesundheitswesen. Dabei zeigte sich, dass Personen mit überlangen Arbeitszeiten signifikante Veränderungen in 17 Hirnregionen aufwiesen. Besonders betroffen war der mittlere Frontallappen, der für Planung und Entscheidungsfindung zuständig ist. Hier stieg das Volumen im Vergleich zur Kontrollgruppe um rund 19 Prozent. Auch andere Regionen wie der obere Frontallappen und die Insula – ein Bereich, der unter anderem für Selbstwahrnehmung und soziale Empathie mitverantwortlich ist – wiesen erhöhte Volumina auf.

Diese Veränderungen könnten neuroadaptive Reaktionen auf chronischen beruflichen Stress sein. Die Forschenden betonen jedoch, dass mangels Langzeitdaten unklar sei, ob diese strukturellen Veränderungen eine Folge von Überarbeitung oder ein prädisponierender Faktor sind.

Gesundheitsrisiken durch lange Arbeitszeiten

Die Auswirkungen überlanger Arbeitszeiten beschränken sich nicht nur auf strukturelle Veränderungen im Gehirn. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erhöht eine Wochenarbeitszeit von über 55 Stunden das Risiko für Schlaganfälle und Herzkrankheiten signifikant. Im Jahr 2016 wurden weltweit 745.000 Todesfälle auf lange Arbeitszeiten zurückgeführt. Besonders betroffen sind Menschen in Südostasien und der westlichen Pazifikregion.

In Deutschland zeigt eine Analyse der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), dass Vollzeitbeschäftigte durchschnittlich etwa 43 Stunden pro Woche arbeiten – deutlich mehr als die vertraglich vereinbarten 38,4 Stunden. Insbesondere bei Arbeitszeiten von über 10 Stunden täglich treten vermehrt Symptome wie Müdigkeit, Kopfschmerzen, Schlafstörungen und psychische Erkrankungen auf.

Unfallrisiko und verminderte Leistungsfähigkeit

Nicht nur die Gesundheit, auch die Sicherheit am Arbeitsplatz leidet unter langen Arbeitszeiten. Das Unfallrisiko steigt nach der 8. Arbeitsstunde exponentiell an und verdoppelt sich ab der 12. Stunde. Grund dafür sind abnehmende Wachheit und Konzentrationsfähigkeit. Zudem berichten viele Beschäftigte, dass ihre Pausen häufig ausfallen – paradoxerweise umso häufiger, je länger die Schicht dauert.

Auswirkungen auf das Privatleben

Lange Arbeitszeiten beeinträchtigen auch das soziale Leben. Weniger Zeit für Familie und Freunde sowie der Wegfall von Ruhepausen führen zu einer gestörten Work-Life-Balance. Zudem nehmen Aufgaben des täglichen Lebens wie Haushaltsarbeiten oder familiäre Verpflichtungen zu, was die Belastung weiter erhöht.

Bedeutung von Ruhepausen

Ruhezeiten dienen der Erholung und gleichen Ermüdungserscheinungen aus. Bei Arbeitszeiten von über 10 Stunden gelten die gesetzlich geforderten Ruhepausen von insgesamt 45 Minuten als nicht ausreichend. Der Erholungsbedarf steigt ab einer Arbeitsdauer von 8 Stunden exponentiell an. Führungskräfte sollten daher darauf achten, dass Pausen eingehalten werden, um die Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Beschäftigten zu erhalten.

Die Erkenntnisse der südkoreanischen Studie und die Daten der WHO sowie der BAuA verdeutlichen die weitreichenden Auswirkungen langer Arbeitszeiten auf die Gesundheit und das Gehirn. Es ist daher essenziell, Arbeitszeiten zu begrenzen und ausreichend Erholungsphasen zu gewährleisten, um langfristige gesundheitliche Schäden zu vermeiden.

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