Die Zahnmedizin wird weiblicher – und das mit bemerkenswerter Dynamik. Neue Zahlen der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) belegen einen kontinuierlichen und deutlichen Anstieg des Frauenanteils in der zahnärztlichen Versorgung. Der Trend ist nicht neu, hat sich in den letzten Jahren aber deutlich beschleunigt. In vielen Bundesländern sind Zahnärztinnen inzwischen klar in der Mehrheit – vor allem bei den unter 35-Jährigen.
Zum Stichtag 31. Dezember 2023 waren bundesweit 73.428 Zahnärztinnen und Zahnärzte in Deutschland registriert, davon 35.727 Frauen – das entspricht einem Anteil von rund 49 %. Zum Vergleich: Vor 15 Jahren lag der Anteil weiblicher Zahnärzte noch bei unter 40 %. Besonders auffällig ist der Anstieg bei den jungen Berufsanfängerinnen: In der Altersgruppe bis 35 Jahre stellen Frauen inzwischen rund 68 % der praktizierenden Zahnärzteschaft.
Regionale Unterschiede: Berlin und Ostdeutschland vorne
Die Entwicklung zeigt sich bundesweit – allerdings mit regionalen Unterschieden. In mehreren Bundesländern übersteigt der Anteil der Zahnärztinnen bereits 50 %. An der Spitze stehen:
| Bundesland | Anteil Zahnärztinnen gesamt | Anteil bei U35 |
|---|---|---|
| Berlin | 56 % | >70 % |
| Mecklenburg-Vorp. | 53 % | 69 % |
| Sachsen-Anhalt | 52 % | 67 % |
| Hamburg | 51 % | 72 % |
Die Zahlen zeigen: Besonders in den Stadtstaaten und neuen Bundesländern ist der Anteil junger Zahnärztinnen hoch. In westdeutschen Flächenländern verläuft der Wandel etwas langsamer – doch auch dort ist die Tendenz klar erkennbar.
Gründe für den Anstieg
Mehrere Faktoren tragen zu dieser Entwicklung bei:
- Zulassungsstatistiken: In den letzten zwei Jahrzehnten lag der Anteil von Frauen unter den Zahnmedizinstudierenden konstant über 60 %.
- Imagewandel: Der Beruf der Zahnärztin hat in puncto Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Selbstständigkeit und gesellschaftlichem Ansehen deutlich gewonnen.
- Gründungsfreude: Trotz verbreiteter Annahmen, Frauen seien seltener bereit zur Niederlassung, zeigen aktuelle Daten, dass Zahnärztinnen zunehmend eigene Praxen gründen – insbesondere in kooperativen Strukturen.
Neue Anforderungen an Beruf und Arbeitsumfeld
Mit dem Wandel der Berufsstruktur verändern sich auch die Erwartungen an Praxismodelle, Arbeitszeiten und Führungskultur. Zahnärztinnen setzen laut Branchenanalysen stärker auf:
- Work-Life-Balance
- Teilzeitmodelle
- Interdisziplinäre Zusammenarbeit
- Digitalisierung
- Familienfreundlichkeit in Praxisstrukturen
Auch die Nachfrage nach kollegial geführten Berufsausübungsgemeinschaften (BAGs), Anstellungen mit flexiblen Arbeitszeiten oder Praxismodelle mit geteiltem Verantwortungsbereich nimmt zu.
Herausforderungen für die Versorgung?
Trotz der positiven Entwicklung warnen Experten vor strukturellen Engpässen – nicht wegen des Geschlechts, sondern wegen des generellen Nachwuchsmangels. Denn: Die Zahl der aktiv praktizierenden Zahnärztinnen und -ärzte stagniert, während die Zahl der Patientinnen und Patienten – insbesondere im Alter – steigt. Hinzu kommt: Zahnärztinnen arbeiten im Durchschnitt etwas weniger Stunden pro Woche als ihre männlichen Kollegen, was bei zunehmendem Frauenanteil die verfügbare Behandlungszeit leicht reduziert.
Gleichzeitig bietet der Wandel auch Chancen: Frauen in der Zahnmedizin bringen häufig neue Perspektiven in Patientenkommunikation, Teamführung und Versorgungsansätze ein – ein Gewinn für Praxis und Patienten.
Fazit der KZBV: Wandel aktiv gestalten
Die KZBV sieht in der zunehmenden Feminisierung des Berufs kein Problem, sondern eine Entwicklung, die es aktiv mitzugestalten gilt. Dazu gehören:
- Flexible Fördermodelle für Praxisgründungen
- Attraktive Rahmenbedingungen für Teilzeit und Elternzeit
- Mentoring-Programme für junge Zahnärztinnen
- Regionale Fördermaßnahmen in unterversorgten Gebieten
Die Zukunft der Zahnmedizin ist weiblich – und sie ist längst Realität. Nun geht es darum, die Rahmenbedingungen so weiterzuentwickeln, dass die Potenziale voll ausgeschöpft werden können.