Jährlich erleiden in Deutschland rund 270.000 Menschen einen Schlaganfall. Für viele bedeutet dies nicht nur eine akute Lebensgefahr, sondern auch langfristige Einschränkungen, insbesondere im Bereich der Sprache. Etwa ein Drittel der Betroffenen entwickelt eine Aphasie – eine Sprachstörung, die die Kommunikation erheblich beeinträchtigt. Aktuelle Entwicklungen in der Künstlichen Intelligenz (KI) eröffnen jedoch neue Perspektiven für Diagnose und Therapie.
KI-gestützte Diagnose: Präzision in der Akutphase
Die Zeit ist ein entscheidender Faktor bei der Behandlung von Schlaganfällen. Je schneller die Diagnose erfolgt, desto besser sind die Chancen auf eine erfolgreiche Therapie. Ein deutsch-britisches Forschungsteam hat eine KI entwickelt, die den Zeitpunkt eines Schlaganfalls doppelt so präzise bestimmen kann wie bisherige Methoden. Diese Technologie analysiert CT-Bilder des Gehirns und erkennt spezifische Muster, die auf das Alter des Schlaganfalls hinweisen.
Auch in der Notfallversorgung zeigt sich der Nutzen von KI. Die Smartphone-App FAST.AI erkennt typische Symptome eines Schlaganfalls – wie Gesichtslähmungen, Armschwäche und Sprachstörungen – in Echtzeit. In klinischen Tests identifizierte die App Gesichtsasymmetrien mit einer Genauigkeit von 97 % und Armschwächen mit 72 %.
Wieder sprechen dank KI und Hirnimplantaten
Für Patienten, die nach einem Schlaganfall ihre Sprachfähigkeit verloren haben, bieten neuartige Technologien Hoffnung. An der University of California wurde ein System entwickelt, das Gedanken in Sprache umwandelt. Dabei werden 253 Elektroden in der Nähe des Sprachzentrums im Gehirn implantiert, die neuronale Signale erfassen. Eine KI analysiert diese Signale und generiert daraus gesprochene Worte in der Stimme des Patienten.
Ein ähnliches Projekt der Stanford University ermöglicht es einer Patientin mit Amyotropher Lateralsklerose (ALS), wieder zu kommunizieren. Durch Hirnimplantate und KI konnte sie mit einer Wortfehlerrate von nur 9,1 % einen Wortschatz von 50 Wörtern nutzen.
Digitale Sprachtherapie: Training zu Hause
Neben der Akutversorgung spielt die Rehabilitation eine zentrale Rolle. Das Projekt ASA-KI entwickelt ein KI-basiertes System zur automatischen Bewertung der Sprachproduktion bei Aphasie. Ziel ist es, Patienten ein effektives Sprachtraining zu Hause zu ermöglichen, das individuell auf ihre Bedürfnisse abgestimmt ist.
Transkranielle Gleichstromstimulation: Unterstützung der Sprachtherapie
Eine weitere vielversprechende Methode ist die transkranielle Gleichstromstimulation. Dabei wird das Gehirn durch schwache elektrische Ströme stimuliert, um die Sprachfähigkeit zu verbessern. In einer Studie der Charité Berlin zeigte sich, dass Patienten, die zusätzlich zur Sprachtherapie diese Stimulation erhielten, signifikant bessere Fortschritte machten.
Übersicht: KI-Anwendungen in der Schlaganfallbehandlung
| Anwendung | Funktion | Nutzen |
|---|---|---|
| CT-Analyse mit KI | Bestimmung des Schlaganfallzeitpunkts | Präzisere Diagnose, bessere Therapieentscheidungen |
| FAST.AI-App | Erkennung von Schlaganfallsymptomen über Smartphone | Schnellere Reaktion im Notfall |
| Gehirn-Computer-Schnittstelle | Umwandlung von Gedanken in Sprache | Wiederherstellung der Kommunikationsfähigkeit bei Sprachverlust |
| ASA-KI-System | Automatisches Sprachtraining für Aphasie-Patienten | Individuelles Training zu Hause |
| Gleichstromstimulation | Unterstützung der Sprachtherapie durch elektrische Stimulation des Gehirns | Verbesserte Rehabilitationsergebnisse |
Die Integration von Künstlicher Intelligenz in die Schlaganfallbehandlung bietet vielversprechende Ansätze, um Diagnose und Therapie zu verbessern. Von der präzisen Bestimmung des Schlaganfallzeitpunkts bis hin zur Wiederherstellung der Sprachfähigkeit eröffnen sich neue Möglichkeiten, die Lebensqualität der Betroffenen nachhaltig zu steigern.